Zwei neue EU-Strategien für mehr Naturschutz und eine umweltfreundliche Landwirtschaft

Am 20. Mai hat die EU-Kommission zwei neue Strategien vorgestellt: Eine umfassende neue Biodiversitätsstrategie, um die Natur zurück in unser Leben zu bringen, sowie die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem. Die beiden Strategien ergänzen sich gegenseitig und bringen die Natur, Landwirte, Unternehmen und Verbraucher zusammen, um gemeinsam auf eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Zukunft hinzuarbeiten.

Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ oder auch „Farm-to-Fork“ bildet die Grundlage, um die europäische Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und die Art und Weise wie wir essen, insgesamt nachhaltiger und gesünder zu machen. Ziel ist es, die Versorgung der Europäer mit erschwinglichen und nachhaltigen Lebensmitteln zu gewährleisten, den Klimawandel zu bekämpfen, die Umwelt zu schützen, Biodiversität zu erhalten und den Anteil des ökologischen Landbaus zu erhöhen. Die Strategie ist eine Kern-Baustein des Europäischen Green Deal. Bis 2030 sollen in Europa im Schnitt mindestens 25 % der Flächen ökologisch bewirtschaftet werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßen die Biodiversitäts- und „Farm-to-Fork“-Strategie der EU-Kommission und fordern deren konsequente Umsetzung.

Beide Vorhaben sollen einen relevanten Beitrag zur Erreichung der Ziele des Green Deal, dem Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 und dem Stopp des Artensterbens leisten. Antje von Broock, Geschäftsführerin Politik und Kommunikation beim BUND: „Die EU macht hier mit guten Konzepten und Strategien auf sich aufmerksam. Jetzt braucht es konkrete Schritte, die zu mehr Natur- und Umweltschutz führen.“

Es ist unverzichtbar, dass die europäischen Strategien nun mit Leben gefüllt und mit Finanzmitteln im Rahmen der laufenden EU-Haushaltsverhandlungen unterlegt werden. Mit den Zielen zur Einsparung von Pestiziden, zur Verbesserung von naturnahen Flächen und Schutzgebieten, der Rettung bedrohter Arten sowie zum Wachstum des Ökolandbaus verpflichtet sich die EU-Kommission trotz der vielen rückwärtsgewandten Lobbybemühungen zu einem ambitionierten Vorhaben für die nächsten zehn Jahre.

Gleichzeitig müssen Praktiken, die soziale und ökologische Probleme hervorbringen, dringend überprüft werden. Dazu gehören die Verteilung der fast 60 Milliarden Euro Agrarsubventionen pro Jahr sowie umwelt- und klimaschädliche Subventionen in der EU-Regionalpolitik. Auch das Fehlen konkreter Vorschläge zum Umbau der Nutztierhaltung und zur Reduzierung der damit verbundenen Treibhausgasemissionen in der EU kritisiert der Umweltverband und fordert Nachbesserungen. „Die Treiber des Verlustes an Arten, Lebensräumen und genetischer Vielfalt wurden in der heute vorgelegten Strategie nur unzureichend adressiert. In vielen Bereichen fehlen konkrete Ziele und Maßnahmen jenseits des klassischen Naturschutzes“, so von Broock.

Auch die Ziele der „Farm-to-Fork“-Strategie führen laut von Broock zu einem grundsätzlichen Änderungsbedarf: „Die jetzige Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) passt nicht zu den Zielen der ‚Farm-to-Fork‘-Strategie. Der Verordnungsentwurf zur Reform der EU-Agrarpolitik aus dem Jahr 2018 wird den Herausforderungen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität sowie den Anforderungen beim Erhalt der Bauernhöfe nicht gerecht. Er ist weder mit dem European Green Deal noch mit der ‚Farm-to-Fork‘- oder der Biodiversitätsstrategie in Einklang zu bringen. Dieser Verordnungsentwurf muss daher konsequenterweise zurückgezogen werden.“

Mit der Farm to Fork-Strategie tut Europa das einzig Richtige: Land- und Lebensmittelwirtschaft und die Art, wie wir essen, enkeltauglich machen“, kommentiert Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Das erwarten die Europäer. Das stärkt hunderttausende Betriebe, die unser Essen umweltfreundlich herstellen. Das zahlt auf Klima- und Artenschutz ebenso ein, wie auf eine resiliente Wirtschaft und gesunde Menschen in einer gesunden Umwelt.“

„Dass die Europäische Union auf mindestens 25 % Bio bis 2030 setzt, ist nur logisch. Denn Bio liefert Nachhaltigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette. In Bio investieren bedeutet, in ein gesundes Europa investieren, wo Menschen, ihre Gesundheit und ihre Arbeit auf den Höfen, in Mühlen, Molkereien, Metzgereien oder in den Läden im Mittelpunkt stehen. Wir erwarten von der Bundesregierung, die europäischen Ziele entschlossen umzusetzen und die Agrar- und Ernährungspolitik neu auszurichten – die europäische Strategie verlangt Deutschland einen klaren Strategiewechsel ab“, so Prinz Felix zu Löwenstein.

Auch die neue EU-Biodiversitätsstrategie ist ein wichtiger Meilenstein: Sie umfasst konkrete Ziele für mehr Wildnis in Europa, die Stärkung des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 und des naturnahen Biotopverbunds durch eine europaweite Rettungsinitiative und den Plan, 20 Milliarden Euro des EU-Budgets dem Erhalt der Arten und Lebensräume sowie dem Klimaschutz zu widmen. „In vielen Punkten bleibt die Strategie jedoch noch unkonkret und muss in den kommenden Jahren vor allem durch die Mitgliedstaaten mit Leben gefüllt werden. Und es sind die Bereiche der EU-Kommission gefragt, die für die wesentlichen Treiber des Artensterbens Verantwortung tragen. Neben der Landwirtschaft sind dies vor allem Verkehr sowie Energie- und Ressourcenverbrauch der Wirtschaft”, so von Broock.

Ein blinder Fleck der EU-Kommission scheint trotz des erklärten Willens zur Transformation in der Landwirtschaft aber die Gentechnik zu bleiben. „Auch neue Gentechnik muss weiter gekennzeichnet, risikogeprüft und rückverfolgt werden. Wahlfreiheit für Bäuerinnen und Bauern, für Lebensmittelunternehmen, den Handel und Verbraucherinnen und Verbraucher muss gesichert bleiben. Es darf deshalb bei neuer Gentechnik auch in Zukunft keine Aufweichung des geltenden Rechtsrahmens geben. Innovationen für die Pestizidreduktion und für mehr Nachhaltigkeit in Landwirtschaft und Ernährung sind unverzichtbar. Die Förderung und Deregulierung von Gentechnik geht aber in die falsche Richtung und stützt stattdessen ein ‚Weiter so‘ der Industrie“, kritisiert von Broock.

 

Pressemitteilungen des BUND, BÖLW und der EU-Kommission vom 20. Mai 2020