Freiräume gezielt besetzen – Bio-Betrieb zeigt erfolgreichen Bio-Rapsanbau ohne Unkrautkontrolle

Erfolgreicher Bio-Rapsanbau ohne Unkrautkontrolle – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Doch Rieke Künsemöller und ihrem Vater Hermann gelingt dieses Kunststück sogar auf einem eher schwierigen Standort in Künsebeck am Fuße des Teutoburger Waldes.Denn die überwiegend leichten, sandig-lehmigen Böden sind anfällig für Trockenheit und hohen Unkrautdruck. Der Schlüssel dafür ist ein Mischanbau in Reihe, den Hermann Künsemöller über viele Jahre hinweg entwickelt und perfektioniert hat. Für sein Konzept wurde der Mühlenhof in diesem Jahr als Sieger beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen sind die ungenutzten freien Flächen zwischen den Anbaureihen. „Üblicherweise wächst hier Unkraut, das per Hacke oder Striegel entfernt werden muss. Das macht Arbeit und ist unproduktiv“, sagt Hermann Künsemöller. „Deshalb baut unser Ansatz darauf, diese Zwischenräume gezielt zu besetzen.“ Das tun Rieke und Hermann Künsemöller beispielsweise mit einem Gemenge aus Wicke und Rohrschwingel, das wie der Raps in Doppelreihe mit je 50 Zentimetern Abstand gesät wird. Die Theorie dahinter: Die Wicke unterdrückt durch ihr zügiges Wachstum aufkommendes Unkraut, friert im Winter ab und bildet anschließend eine Mulchschicht, die Unkräuter größtenteils fernhält und den Boden bei Frühjahrstrockenheit vor Austrocknung schützt. „Das funktioniert bei uns seit vielen Jahren auch in der Praxis sehr gut“, sagt Hermann Künsemöller. Bei der Wicke muss man allerdings darauf achten, dass sie nicht zu frech wird und die Rapsreihen überwächst.“ Deshalb werden die Wickenreihen in einzelnen Jahren in der Reihe gewalzt, um ein zu intensives Wachstum zu verhindern.

Rohrschwingel im Gemenge

Auch der Rohrschwingel im Gemenge erfüllt in diesem Anbaukonzept eine wichtige Aufgabe. Er beginnt erst nach der Rapsernte und dem Mulchen der Stängel intensiv zu wachsen und bindet dabei den freiwerdenden Stickstoff aus den Ernteresten vom Raps. Zudem schützt der Rohrschwingelaufwuchs den Acker bis zur Getreidesaat im nächsten Frühjahr vor Erosion.

Neben dem Schutz vor Unkraut, Trockenheit, N-Verlusten und Erosion bietet der Mischanbau in Reihe noch zwei weitere Vorteile: Die Wicke im Gemenge liefert bis zu 30 Kilogramm Stickstoff pro Hektar zusätzlich, die der Raps im Frühjahr bei einsetzender Mineralisierung aufnimmt. Und – das ist Hermann Künsemöller besonders wichtig – unter dem Rapsstroh und dem Rohrschwingel können sich im Boden zahlreiche Gegenspieler klassischer Rapsschädlinge etablieren. „Das ist nach unserer Erfahrung ein ganz entscheidender Punkt für einen erfolgreichen Bio-Rapsanabau“, sagt Hermann Künsemöller. „Schließlich durchlaufen die meisten Schädlinge ein Larvenstadium im Boden.“

Sechs Jahre Erfahrung

Seit sechs Jahren arbeitet der Mühlenhof erfolgreich mit dem Konzept. Unabhängig von der Witterung waren Aufwand und Ertrag in jedem Jahr sehr zufriedenstellend. Im letzten Jahr wurden trotz der leichten Böden Erträge von 3,5 Tonnen pro Hektar erzielt, obwohl laut Rieke Künsemöller auf den meisten Schlägen nur gesät und geerntet werden musste. Noch länger ist ein zweites Mischanbausystem auf dem Bio-Betrieb etabliert, der Anbau von Kleegras und Roggen. Hauptkultur ist dabei das Kleegras. „Der Roggen ist für uns ein nettes Beiwerk, mit dem wir den Kleegrasbestand absichern“, sagt Hermann Künsemöller.

Nach seiner Erfahrung passen die beiden Kulturen perfekt zusammen. Kleegras und Roggen werden ab Mitte September gemeinsam ausgesät. Der Roggen erhält durch den vom Klee gebundenen Stickstoff zur Kornbildung im späteren Frühjahr häufig noch eine Art Ährengabe. Nach dem Dreschen bleibt das Roggenstroh auf der Fläche und bildet eine Mulchschicht, die das Kleegras vor Trockenheit und Unkraut schützt. Vor allem der Schutz vor hohen Bodentemperaturen und Trockenheit ist auf den leichten Standorten des Betriebs elementar für einen erfolgreichen Kleegrasanbau. 2022 waren in der Region laut Künsemöller viele reine Kleegrasflächen vertrocknet wegen einer langen Sommertrockenheit. Die eigenen Bestände mit Mischanbau hätten den Wassermangel dagegen dank der schützenden Mulchdecke gut überstanden.

Entscheidend für einen erfolgreichen Mischanbau ist aber laut Künsemöller die Aussaat in Doppelreihen mit 50 Zentimetern Abstand. Früher wurde der Klee auf dem Betrieb in Reinkultur oder als Frühjahrsuntersaat angebaut. „Das funktionierte aber aufgrund des Klimawandels nicht mehr und führte zu lückigen Beständen. Das System war einfach nicht mehr sicher“, berichtet Hermann Künsemöller.

Selbstregulierende Kräfte

Durch den Mischanbau in Doppelreihe reguliert sich der Standort dagegen nach seinen Erfahrungen selbst. Zunächst kann sich jeder Mischungspartner ungestört entwickeln. Bei guter Fruchtbarkeit wächst der Roggen etwas stärker, bei ungünstigeren Bedingungen der Klee. Den Totalausfall einer Kultur hat Künsemöller mit dem System in 15 Anbaujahren noch nie erlebt, unabhängig von der Witterung.

Mit dem Kleegras erzielt der Betrieb auch im Mischanbau die volle Vorfruchtwirkung, bevor es im Frühjahr vor Brotweizen oder Dinkel umgebrochen wird. Der Roggen erreicht noch Erträge von bis zu vier Tonnen pro Hektar. „Das sind keine Wahnsinnserträge. Aber wir verlieren durch das Kleegras auch nichts und können in jedem Jahr eine Marktfrucht ernten“, sagt Künsemöller.

In beiden Mischanbausystemen bereiten die Mulchdecken aus Wicke im Raps und Roggenstroh beim Kleegras keine Probleme. Schnecken sind auf dem leichten Standort kein Problem und die Mäusepopulationen werden durch natürliche Gegenspieler wie Reiher ausreichend in Schach gehalten. Da die Unkrautkontrolle in beiden Mischanbau-Systemen nahezu komplett entfällt, gibt es auch deutliche Einspareffekte bei der Arbeitszeit und den Maschinenkosten. Wie viel eingespart wird, ist für Hermann Künsemöller nicht entscheidend. „Für uns kommt es vor allem darauf an, dass das System als Ganzes funktioniert.“

Inwieweit sich das Konzept auf andere Standorte übertragen lässt, muss man laut Künsemöller ausprobieren. Ein Nachbarbetrieb arbeitet bereits seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Kleegras-Roggen-Mischanbau, auch auf deutlich schwereren Böden. Das Gemisch aus Raps und Wicke funktioniert dagegen bei ihm dagegen bisher noch nicht problemlos. Betriebsnachfolgerin Rieke Künsemöller wird den Mischanbau in Reihe auf jeden Fall fortsetzen und weiterentwickeln. Dafür spricht aus ihrer Sicht auch noch ein weiteres wichtiges Argument für das System: Es fördert die Biodiversität in der Fläche, wodurch der Druck durch Schädlinge und Krankheiten deutlich gesenkt wird. „Das werden wir aber mit ständigem Hacken und Blühstreifen nicht im gleichen Umfang schaffen“, ist die Landwirtin überzeugt. „Deshalb ist es so wichtig, das ganze System zu betrachten und zu verstehen, wie wir Prozesse für uns nutzen können, statt dagegen zu arbeiten.“

Artikel ist von Jürgen Beckhoff, BÖL; Ökolandbau NRW 15.02.2024
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